Ob es in spätrömischer Zeit bereits eine christliche Gemeinde in der römischen Siedlung des späteren Wimpfen gegeben hat, ist nicht bekannt. Doch mit der Ausbreitung der fränkischen Herrschaft über die Alemannen kam nach 500 n. Chr. das Christentum in den Neckarraum. Bischof Crothulf (Berthulf) von Worms soll in Wimpfen im Tal nach 600 eine Kirche, die dem heiligen Petrus geweiht war, auf den Ruinen des römischen Kastells erbaut haben. In dieser Zeit erhielt der Wormser Bischof auch die Lehnsherrschaft über den Neckarraum. Wimpfen wurde sein Besitz und ein wichtiger Außenposten des Wormser Bistums. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts zerstörte ein feindlicher Ungarneinfall die Stadt Wimpfen vollständig. Erst nach der siegreichen Schlacht Kaiser Ottos auf dem Lechfeld (955) wurde mit dem Bau einer neuen Kirche begonnen. Dem imposanten romanischen Westwerk mit seinen beiden Türmen, die noch heute zu sehen sind, schloss sich eine im Innern doppelgeschossige, sechseckige Rundkirche an, die sich nach außen hin zu einem Zwölfeck erweiterte. Die Anlehnung an die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen ist deutlich. Wohl in dieser Zeit gründete der Wormser Bischof das Chorherrenstift, das 800 Jahre bestehen sollte. Er bedachte das Stift mit zahlreichen Besitzungen, die im Laufe der Zeit durch weitere Stiftungen und Schenkungen vermehrt wurden. Das Stift besaß zum Teil bedeutende Güter und Einkünfte im Umkreis von etwa 40 km. Dem Stift, das sich aus zwölf adeligen Chorherren zusammensetzte, stand ein Propst vor. Er verwaltete im Auftrag des Bischofs eines der vier Wormser Archidiakonate, das neckarabwärts bis nach Heidelberg reichte und zu dem 99 Pfarreien zählten. Da manche Stiftherren in späterer Zeit nicht mehr in Wimpfen wohnten, erhielten sie Vikare oder Kapläne, die vor Ort den geistlichen Dienst versahen. Zweimal im Jahr (an Weihnachten und am Patroziniumsfest der Stiftskirche) kamen die Stiftsherren zu Kapitelversammlungen in Wimpfen zusammen. Letzterer Termin, der 29.6., wurde Anlass für den Talmarkt, der seit über 1000 Jahren in Wimpfen im Tal gefeiert wird.
Nach einer Zeit des wirtschaftlichen und geistlichen Niedergangs begann der Dekan Richard von Deidesheim Reformen durch-zuführen und ab 1269 als äußeren Ausdruck der inneren Neuorientierung des Stiftes einen Neubau der Stiftskirche im gotischen Stil in die Wege zu leiten. Der gotische Chorraum mit dem dreischiffigen Kirchenschiff, die mit einer Achsenkrümmung an das bereits bestehende romanische Westwerk anschließen, prägen bis heute das Bild der Wimpfener Stiftskirche. Zu den ursprünglich zum Stift gehörenden zwölf adeligen Chorherren mit voller Pfründe kamen nun sechs bürgerliche, die sich zu je zweien eine Pfründe teilten. Zur Erledigung der geistlichen Aufgaben wurden Vikare und Kapläne beschäftigt. Als Wohnungen dienten den Stiftsherren die um die Kirche herum errichteten Stiftsgebäude.
Im 16. und 17. Jahrhundert sank infolge der Bauernkriege, der vielerorts eingeführten Reformation und des Dreißigjährigen Krieges die Wirtschaftskraft des Stiftes, so dass die Zahl der Stiftsherren vermindert werden musste. 1574 wird nur noch von einem Propst, dem Dekan, vier Chorherren und acht weiteren Geistlichen berichtet. Seit 1604 entfiel das Amt des Propstes. Seine Aufgaben übernahm der Dekan und die Anzahl der Stiftherren wurde auf sechs Kanoniker reduziert. 1803 wurde das Stift nach Verhandlungen um die Entschädigung für an Frankreich verlorene linksrheinische Gebiete säkularisiert und an den Landgrafen (späteren Großherzog) von Hessen-Darmstadt gegeben. Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Stiftes wurden an Privatleute verkauft und die Kirche stand ungenutzt. Doch nahm man wegen des historischen Werts von Kirche und Kreuzgang um 1900 eine umfassende Sanierung vor.
Erst im August 1947 konnten aus der Abtei Grüssau in Schlesien vertriebene Benediktinermönche im Kreuzgang des ehemaligen Stiftes eine neue Heimat finden. Das feierliche Gotteslob erklang wieder in der Kirche. Sie bauten unter schwierigsten Bedingungen und mit der Hilfe zahlreicher Unterstützer den Kreuzgang zum Wohnraum aus und erwarben einige ehemalige Stiftsgebäude (z. B. die Dekanei und Kustodie). Als aber 2006 die Zahl der Mönche zu niedrig geworden war, musste die Niederlassung der Benediktinerabtei in Wimpfen aufgegeben werden.
Markus Blüm,
Autor „St. Peter zu Bad Wimpfen im Tal“